Bei dem Rechtsbegriff Eigenbedarf handelt es sich um einen der folgenschwersten der deutschen Rechtspraxis. Die Urteile dazu füllen Regale. Im Bürgerlichen Gesetzbuch, das in § 573 die ordentliche Kündigung des Vermieters regelt, findet sich der Begriff nicht. Der maßgebliche Passus (§ 573 Abs.2 Nr.2) gesteht dem Vermieter ein berechtigtes Interesse an einer Kündigung zu, „wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.“ Im Übrigen kennt der Gesetzgeber nur zwei weitere Gründe für eine ordentliche Kündigung eines Wohnungsmietverhältnisses, die erhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten durch den Mieter und die Unzumutbarkeit der Weitervermietung aus wirtschaftlichen Gründen. Das deutsche Mietrecht schützt den Mieter und reduziert die Verfügungsgewalt des Vermieters über sein Eigentum deutlich.
Die Häufigkeit des Prozessgegenstandes „Eigenbedarf“ hat zu einer Ausuferung der begleitenden Literatur geführt, die schwer zu übersehen ist. Meist handelt es sich um Anleitungen, entweder eine Kündigung wegen Eigenbedarfs durchzuführen oder sie abzuwehren.
Das BGB sieht eine Kündigungsfrist von drei Monaten vor. Es ist vertraglich möglich, davon abweichende Fristen zu vereinbaren. Der immer wieder bei Eigentumswohnungen vereinbarte, beidseitige Kündigungsausschluss darf nur für höchstens vier Jahre abgeschlossen werden. Längere Laufzeiten führen zur Ungültigkeit des entsprechenden Bestandteils des Mietvertrages (höchstrichterliche Rechtsprechung). In der Vergangenheit sind häufiger entsprechend langfristige angelegte Mietverträge bei Eigentumswohnungen als Aufwertung der Kreditsicherheiten abgeschlossen worden. Wird die Eigentumswohnung nach vier Jahren verkauft, muss der neue Eigentümer diese Fristen nicht beachten.
Wer Eigenbedarf geltend macht, muss diesen schlüssig gegenüber dem Mieter, dem er kündigt, begründen. Eigenbedarf kann nur für Familienangehörige oder „Angehörige des Haushalts“ geltend gemacht werden. Darunter sind zu verstehen:
Kein Eigenbedarf kann für geschiedene Ehepartner, Ex-Schwiegereltern oder Ex-Schwiegerkinder geltend gemacht werden. Es reicht nicht aus, wenn der Käufer einer Wohnung in der Kündigung angibt, diese Wohnung künftig selbst nutzen zu wollen. Er muss einen nachvollziehbaren und vor Gericht belegbaren Grund benennen. Erwartet der Käufer Familienzuwachs und ist die gekündigte Wohnung größer als die eigene, so gilt dies als hinreichender Grund. Liegt die gekaufte Wohnung neben der des Käufers und soll mit dessen zusammengelegt werden, wird die Kündigung ebenfalls nicht angefochten werden können.
Ein merkwürdiges Erfordernis besteht darin, dass für den Wohnungseigentümer keine Alternative bestehen soll. Über die Frage, was eine Alternative sein könnte, kann kaum eine Einigung erzielt werden, es sein denn, der Wohnungseigentümer besäße eine weitere vergleichbare Wohnung im gleichen Haus, die zur Verfügung stünde.
Eigenbedarf kann grundsätzlich nur eine natürliche Person anmelden. Ist der Eigentümer eine Kapitalgesellschaft, ist die Kündigung aus diesem Grund unmöglich.
Wer ein Haus kauft, übernimmt die bestehenden Mietverträge mit allen Rechten und Pflichten. „Kauf bricht nicht Miete“ stellt das BGB in § 566 eindeutig klar. Der Hauskauf erfolgt also mit den Mietern. Daher ist es unerlässlich, sich bereits vor dem Kauf über die Bereitschaft der Mieter, eine Kündigung zu akzeptieren, zu informieren. Besteht diese nicht, sollte nahezu immer vom Kauf Abstand genommen werden. Eine Familie aus einem Haus zu klagen, ist gegenwärtig nur möglich, wenn die Beklagten durch vertragswidriges Verhalten mithelfen.
Vor einer Generation noch war der Kauf einer Eigentumswohnung als Kapitalanlage durchaus vertretbar. Die Entwicklung der Kaufpreise lässt aber den Kauf einer Wohnung heute nur noch bei eigener Nutzung sinnvoll erscheinen. Wer eine vermietete Wohnung kauft, um dort einzuziehen, muss wissen, dass er sich in der Mehrheit der Fälle in einem Rechtsstreit wiederfindet.
Der Gesetzgeber hat für die Anmeldung von Eigenbedarf Sperrfristen eingerichtet, die sich an den Gegebenheiten orientieren und im Einzelfall vor dem Wohnungskauf erforscht werden müssen. Wurde die Wohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt, nachdem der jetzige Mieter eingezogen ist, besteht eine gesetzliche Sperrfrist von drei Jahren, innerhalb der es unmöglich ist, Eigenbedarf anzumelden. In einigen Großstädten wie Berlin oder Hamburg beträgt die Sperrfrist zehn Jahre.
Bei der Umwandlung städtischer Wohnungen in Eigentumswohnungen gelten meist fünf Jahre. War der Bau der Eigentumswohnung mit öffentlichen Mitteln gefördert worden, beträgt die Sperrfrist zehn Jahre, endet aber mit der Rückzahlung der öffentlichen Mittel.
Eine Kündigung wegen Eigenbedarf endet in zu vielen Fällen als teurer, langwieriger und beide Parteien sehr belastender Rechtsstreit. Außer den beteiligten Rechtsanwälten gewinnt oft niemand. Wer sich damit befassen muss, benötigt auf jeden Fall rechtlichen Beistand. Bereits das Kündigungsschreiben sollte von einem darauf spezialisierten Rechtsanwalt verfasst werden, da es einem gerichtlichen Verfahren standhalten muss.