Der Begriff Kapitaldienstfähigkeit ist nicht Teil der Umgangssprache der Verbraucher. Zumindest alle Kreditnehmer unter ihnen sollten sich aber eingehend damit befassen. In der Praxis der Kreditwirtschaft handelt es sich dabei um einen zentralen Begriff. Er berührt sowohl die Kreditvergabe an Verbraucher wie auch die an Unternehmen. Die Methoden der Feststellung sind jedoch nicht vergleichbar.
Unter Kapitaldienst sind die Ausgaben zu verstehen, die ein Kreditnehmer für seinen Kredit zu erbringen hat, die Summe aus Zins- und Tilgungszahlungen. Auch Vermittlungskosten und ein eventuelles Disagio sind einzuberechnen. Disagio bedeutet, dass das Darlehen mit einem Abschlag ausbezahlt wird.
Mit Kapitaldienstfähigkeit wird die Erwartung bezeichnet, dass ein Kreditnehmer, Privatmann oder Unternehmen, seine Verpflichtungen aus einem Kreditvertrag erfüllen kann. Die Feststellung der Kapitaldienstfähigkeit durch ein Kreditinstitut ist Teil der Kreditprüfung. Sie erfolgt bei Unternehmen vor der Gewährung von Darlehen und bei jeder Verlängerung solcher Verträge. Bei Privatleuten ist sie stets Teil der Prüfung von Immobilienkrediten, anderen größeren Darlehen und immer dann, wenn die Ausgangslage eine Kreditgewährung schwierig erscheinen lässt.
Banken sind Deutschland gesetzlich dazu verpflichtet, die Kapitaldienstfähigkeit festzustellen. Bei der Kreditvergabe im gewerblichen Bereich gilt dies stets im vollem Umfang. Bei der Vergabe von Immobilienkrediten an Private sind die Auflagen für die Banken sehr streng und die Ergebnisse werden stichprobenartig durch die Aufsichtsbehörden und die Wirtschaftsprüfer kontrolliert. Der typische Verbraucherkredit ist ein standardisiertes Massengeschäft und die Prüfung der Kapitaldienstfähigkeit zwangsläufig auf Grenzfälle beschränkt.
Sie setzt eine Offenlegung der finanziellen Verhältnisse des Kreditsuchenden voraus. Es handelt sich also um einen Kassensturz, der allerdings gewissen Regeln folgt. Die Methode wird oft auch als „Haushaltsrechnung“ bezeichnet.
Die Einnahmen
Zu berücksichtigen sind die regelmäßig erzielten und durch Lohnabrechnungen belegten Nettoeinkommen. Aus „Schwarzarbeit“ erzielte Bezüge sind daher bei der Kreditprüfung nicht von Belang. Auch können nur die Bezüge miteinbezogen werden, die die volljährigen Haushaltsmitglieder nachweisen, die den Kreditantrag mit unterschrieben haben.
Für die Haushaltsrechnung nicht anerkannt werden daher
Diese Bezüge erfolgen entweder einmalig oder werden befristet gewährt.
Zu den regelmäßigen Einnahmen zählen neben den bereinigten Nettogehältern
Die Ausgaben
Ein echter Kassensturz kann nur über ein Jahr erfolgen, da es zahlreiche Posten gibt, die zwar wiederkehren, aber eben nur einmal jährlich. Für eine Kreditprüfung durch eine Bank ist ein konsequent geführtes Haushaltsbuch zwar hilfreich, aber ein eigener Prüfungsfall, also sehr aufwendig. Daher behelfen sich die meisten Banken für gewöhnlich mit Pauschalen. Diese sind ein gut gehütetes Geheimnis und unterscheiden sich von Bank zu Bank.
Lange Jahre waren folgende pauschale Ansätze für Monatsausgaben verbreitet:
Dabei dürfte bereits vor dem Einsetzen der Inflation ein Ansatz von 1.800 Euro für eine Familie mit zwei Kindern zweifelhaft gewesen sein. Beim Bezug von Bürgergeld erreicht eine Familie mit zwei Kindern 1.500 – 1.600 Euro und dies gilt als pure Existenzsicherung.
Gegenwärtig sind 1.000 Euro pro Erwachsener und dreihundert Euro pro Kind als pauschaler Ansatz die Untergrenze.
Die regelmäßigen Ausgaben werden von den regelmäßigen Einnahmen abgezogen und ergeben so den zur Verfügung stehenden Überschuss. Umgelegt auf den Monat ergibt dies die Höhe der möglichen Monatsrate. Allerdings gilt die Empfehlung, die von einigen Banken hausintern auch als Richtlinie durchgesetzt wird, nicht mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens an Kreditverpflichtungen einzuplanen, um sich einen Handlungsspielraum für unvorhergesehen Ausgaben zu erhalten.
Wessen Kapitaldienstfähigkeit als gegeben angesehen wird, kann aber nicht zwingend damit rechnen dass er auch als kreditwürdig gilt. In Deutschland hat die Schufa ein De-Fakto-Monopol für die Feststellung der Bonität oder Kreditwürdigkeit von Privatkunden. Der Schufa-Score, eine die finanzielle Vertragstreue widerspiegelnde Kennzahl, entscheidet bei der Kreditvergabe bei Verbraucherkrediten meist über die Kreditvergabe als solche und über die anfallenden Kosten. Die Bonität oder Kreditwürdigkeit basiert auf der jüngeren Vergangenheit eines Kreditsuchenden, die Kapitaldienstfähigkeit auf Gegenwart und einsehbarer Zukunft.
Bei Unternehmen jeder Größe und bei Gewerbetreibenden ist die Erhaltung der Kapitaldienstfähigkeit eine Überlebensfrage. Dementsprechend genießt sie höchste Aufmerksamkeit. Die Anforderungen im gewerblichen Bereich sind zwangsläufig andere als bei Privatpersonen. Wer die Finanzen im Unternehmensbereich verantwortet oder als Selbstständiger sein Auskommen sucht, wird mit einem weiteren, manchmal verhängnisvollen Begriff konfrontiert: der Kapitaldienstgrenze.
Die Kapitaldienstgrenze ist der Betrag, den ein Unternehmen im Höchstfall für die Bedienung von Verpflichtungen aus dem Kapitaldienst einsetzen kann. Banken lassen das Erreichen der Kapitaldienstgrenze nicht zu, sondern verlangen einen angemessenen Spielraum. Die Kapitaldienstfähigkeit ist dann gegeben, wenn über das Geschäftsjahr hinweg der Kapitaldienst nicht die Kapitalgrenze erreicht. Für einen Privathaushalt würde dies – vereinfacht übertragen – bedeuten, dass keine Dispoüberziehung eingeplant werden darf.
Die Berechnungen der Banken im gewerblichen Sektor sind oft extrem kompliziert und basieren auf dem Cash-Flow, einer betriebswirtschaftlichen Ergebnisberechnung. Dazu müssen sie nicht nur nationale rechtliche Vorschriften beachten sondern in zunehmenden Maß auch internationale. Eines der bedeutendsten Abkommen der Weltwirtschaftsgeschichte, „Basel III“, befindet sich gegenwärtig in Umsetzung in europäisches und internationales Recht. Die praktischen Auswirkungen auf die Kreditvergabe im gewerblichen Bereich sind noch nicht erkennbar.