Seit der Reform des Mietrechts im Jahre 2001 ist das Vorkaufsrecht des Mieters für die bislang bewohnte Eigentumswohnung ein fester Teil der Rechtsordnung. In den vergangenen mehr als zwanzig Jahren sind zahlreiche Urteile dazu ergangen, die sich nicht immer ergänzen. Gleichzeitig zirkulieren zu diesem Thema – außerhalb von Rechtsanwaltskanzleien und der Immobilienbranche – zahlreiche falsche Thesen.
Das Vorkaufsrecht entsteht in einem Mietverhältnis nur ein einziges Mal. Der Gesetzestext ist unmissverständlich: Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft, so ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt. (§ 577 BGB). Das Mietverhältnis muss vor der Umwandlung des Miethauses in eine Eigentumswohnanlage bestanden haben, damit ein Vorkaufsrecht entsteht. Das Vorkaufsrecht besteht also gegenüber dem umwandelnden Eigentümer. Wer in eine bereits vorher vermietete oder als erster in eine Eigentumswohnung einzieht, erwirbt kein Vorkaufsrecht. Kein Vorkaufsrecht besteht, wenn ein Mietwohnhaus als ganzes verkauft wird. Das Vorkaufsrecht kann nicht durch einen Vertrag oder eine sonstige Vereinbarung zum Nachteil des Mieters aufgehoben werden: Es ist unabdingbar.
Äußerste Vorsicht ist geboten, wenn in einem Mietvertrag im Zusammenhang mit dem Neubezug einer Wohnung Regelungen zum Vorkaufsrecht zu finden sind. Für gewöhnlich bedeutet dies, dass der Mietvertrag durch einen Notar beurkundet werden muss. Unterbleibt die Beurkundung, gleich ob aus Unwissenheit oder aus Kalkül, so ist der gesamte Mietvertrag möglicherweise ungültig. Wer einen solchen Mietvertrag unterschreibt, sollte sich vorher juristischer Hilfe bedienen und sich in diesem Fall auch nicht auf die Belehrung durch den Notar verlassen. Diese ist zwar neutral, kommt aber möglicherweise zu spät.
Nur Mieter mit gültigem Mietvertrag können das Vorkaufsrecht gelten machen. Wurde der Mietvertrag vor dem Verkauf gekündigt, so erlischt das Vorkaufsrecht mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Der gesamte Komplex „Vorkaufsrecht“ gilt nur für Wohnungen. Bei einer gemischten Nutzung muss im Einzelfall entschieden werden, ob ein Vorkaufsrecht besteht. Ständige Grundvoraussetzung für das Entstehen eines Vorkaufsrechts ist der Verkauf der Wohnung durch einen gültigen Kaufvertrag!
Der Mieter kann in den zwischen dem umwandelnden Eigentümer und einem Dritten abgeschlossenen Kaufvertrag zu unveränderten Konditionen, also zum gleichen Kaufpreis, eintreten. Änderungen am bestehenden Kaufvertrag sind nur bei Entgegenkommen des Verkäufers möglich. Die Erklärung des Eintritts in den bestehenden Kaufvertrag darf nicht mit Bedingungen verbunden sein und sollte vor allem immer auch zusätzlich an den beurkundenden Notar geschickt werden.
Der Vermieter, also der umwandelnde Eigentümer ist gesetzlich verpflichtet, den Mieter vom Verkauf der Wohnung in Kenntnis zu setzen. Allgemein wird als zwingend angesehen, dass dem Mieter eine Kopie des Kaufvertrages überlassen wird. Ergänzend sind ihm die Fristen im Zusammenhang mit seinem Vorkaufsrecht mitzuteilen. Die Mitteilung kann auch durch den Käufer oder einen Dritten (meist Notar) erfolgen. Das Entstehen des Vorkaufsrechts ist jedoch nicht an die Mitteilung gebunden. Erhält der Mieter von einer anderen Seite Kenntnis von dem Verkauf, kann er ebenso sein Recht anmelden.
Mit Zugang der Mitteilung beginnt eine Zweimonatsfrist, innerhalb der der Mieter sich erklären muss. Nimmt der Mieter sein Vorkaufsrecht wahr, bedeutet dies die Nichtigkeit des bestehenden Kaufvertrages. Bei „Sozialwohnungen“ beträgt die Frist sechs Monate. Ob eine Wohnung als Sozialwohnung in diesem Zusammenhang gelten kann, muss im Einzelfall entschieden werden. Wohnungen, für deren Bezug ein Wohnberechtigungsschein erforderlich ist, fallen überwiegend in diese Kategorie, es gibt aber landesrechtliche Unterschiede.
Hat der Vermieter/Verkäufer gegen seine Informationspflicht verstoßen, und so ermöglicht, dass der Kaufvertrag mit dem Dritten durch Eintragung im Grundbuch vollzogen worden und somit unumstößlich ist, entsteht ein Recht des Mieters auf Schadensersatz gegenüber dem Vermieter/Verkäufer. Allerdings muss der Mieter nachweisen, dass er zur Ausübung des Vorkaufsrechts in der Lage gewesen wäre.
Häufig werden Eigentumswohnung zu mehreren als „Paket“ – an Kapitalanleger verkauft. Dies ist meist mit einem Preisnachlass verbunden. Der sein Vorkaufsrecht ausübende Mieter erhält beim Erwerb seiner bisherigen Wohnung den Kaufpreis, der im Paket verhandelt ist, also einschließlich des Preisnachlasses.
Will ein Vermieter eine Wohnung nach der Umwandlung an einen nahestehenden Verwandten verkaufen oder verschenken, so entsteht kein Vorkaufsrecht. Die Rechtsprechung hat den Kreis der so begünstigten Personen weit gezogen: Darunter fallen neben den Verwandten in gerader erster Linie (Kinder, Eltern, Großeltern) auch Verwandte in der Seitenlinie bis zum dritten Grad (Neffen, Nichten) und verschwägerte Angehörige (Schwager, Schwiegereltern).
Erfolgt der Wohnungsverkauf im Rahmen einer Zwangsversteigerung, so ersteht kein Vorkaufsrecht. Wird die im Rahmen der Zwangsversteigerung erworbene Wohnung weiterverkauft, gilt dies nicht als erster Verkauf nach der Teilung und begründet kein Vorkaufsrecht.
Stirbt der Inhaber eines Vorkaufsrechts, so geht das Vorkaufsrecht auf die Erben des Mietverhältnisses über. Das Vorkaufsrecht selbst ist nicht vererblich.
Das Bürgerliche Gesetzbuch räumt in § 577a dem Mieter, der sein Vorkaufsrecht nicht wahrnimmt, eine dreijährige Frist ein, innerhalb der kein Eigenbedarf durch den Eigentümer geltend gemacht werden kann. Gleichzeitig werden landesrechtliche Bestimmungen ermöglicht, die Verlängerungen dieser Frist auf bis zu zehn Jahre erlauben.